Leseprobe Krimi 4
Fall 7: tot unter dem Christbaum, Kommissar Jacke stresst Weihnachten
Fall 8: Brisante Geschäfte Kommissar Jacke in der Karibik
©Alle Rechte vorbehalten Sabine Heilmann 2017/19/20 und weiter
Die folgenden Geschichten sind frei erfunden. Zufällige Übereinstimmungen mit den Namen von realen Personen sind nicht beabsichtigt.
Inhalt des siebten Falles: 1. Ein neuer Fall? 2. Das Treffen 3. Erklärungsnot 4. Der Verdacht 5. Winterliche Freuden 6. Eltern 7. Das Wagnis 8. Vergangenheit versus Zukunft 9. Gegenwart 10. Die Party
1. Ein neuer Fall?
Sie war wieder da! Endlich! Hauptkommissar Manfred Jacke war heilfroh und es wurde ihm warm ums Herz, dass seine Karin wohlbehalten wieder in der Stadt eingetroffen war. Nach dem schwierigen Novemberfall hatte er die Nase voll von seinen innerlichen Ausflüchten und dem Zickzackkurs, den er nach ihrer Trennung für Jahre eingeschlagen hatte. Daher traute er sich nun tatsächlich, sie seine ... zu nennen. Wenigstens vor sich selbst! Nach außen hin waren sie nach wie vor ...
Bei dem Psychologen Dr. Mannlig, der auch für die Polizei tätig war und den er seit dem Novemberfall regelmäßig besuchte, brachte er das Thema bereits aufs Tapet. Im Laufe einiger Gespräche war ihm so manches klarer geworden. Der tragische Todesfall im November hatte ihn überdeutlich darauf hingewiesen, dass er nicht nur seine Wohnung immer einmal wieder ausmisten, sondern auch innerlich aufräumen musste. Deswegen freute er sich mittlerweile auf die zweimal pro Woche angesetzten Termine, die jedes Mal knapp eine Dreiviertelstunde dauerten. Danach fühlte er sich seltsamerweise zwar befreit, gleichwohl ging ihm viel Vergangenes durch den Kopf. Da er sich dann für eine Weile kaum auf andere Dinge zu konzentrieren vermochte, nahm er sich direkt in Folge der Termine ausreichend Zeit zum Gedankenwälzen. Der Effekt entpuppte sich als bemerkenswert! Innerlich viel ruhiger geworden, hatte er nicht dauernd das Gefühl, die Zeit liefe ihm davon oder er müsse effektiver sein. Ergebnisorientiert hieß ja das Modewort und es kotzte ihn nun buchstäblich an.
Mit seinem jüngeren Kollegen konnte er das nicht gut besprechen, obwohl dieser sehr offen war für sein Alter. Diese fünfzehn Jahre Unterschied waren aber entscheidend. Jürgen Feldkamp hatte sich Anfang Dezember tatsächlich das erste Mal verlobt und schwebte zurzeit wie auf Wolken. Da hatte er für tieferes Insich-Gehen und Ausmisten nicht unbedingt viel übrig.
Aber Jacke spürte, nun über fünfzig, dass er sich freiwillig umstellen musste, damit das Leben es nicht weiterhin für ihn tat. Er sparte sich also das Erörtern seiner Probleme mit Jürgen von vorneherein und hegte lieber freudig Anteil an dessen Hochzeitsplänen. Jürgen gedachte im Einvernehmen mit Nadine noch ein halbes Jahr zu warten, um dann im Juni zu heiraten. Beide erlebte Jacke naturgemäß als recht aufgeregt darüber, da es für sie die erste ernsthafte Beziehung darstellte. Sie suchten sich jetzt erst einmal eine für sie passende Wohnung und Jürgen trat jeden Morgen mit den aktuellsten Informationen darüber zur Bürotür herein. Sein Chef dagegen hielt zurzeit gar nichts von Stress oder Zukunftsplänen. Er wollte endlich einmal alles in Ruhe und etwas langsamer angehen dürfen. Als ob die Kriminellen der Stadt dies spürten, gestaltete sich die Lage für das Morddezernat derzeit ebenfalls sehr ruhig. So ruhig, dass einige ältere unaufgeklärte Fälle noch einmal bearbeitet werden sollten. Jackes Chef erinnerte ihn besonders an einen schwierigen Fall vor mittlerweile fünf Jahren, der die Bürger der Stadt damals ordentlich beeindruckte und in Atem hielt. Ein Junge war mit seinem Freund auf einem Abenteuerspielplatz gewesen und danach nicht mehr nach Hause gekommen. Der Freund wurde bewusstlos auf dem Holzaufbau des Spielplatzes gefunden. Er konnte sich im Nachhinein leider an nichts mehr erinnern. Wochenlang wurden unzählige Spuren verfolgt. Die lokale Presse versprach schließlich horrende Belohnungen für glaubwürdige Hinweise, während die Eltern den Entführer anflehten, ihr Kind freizulassen. Aber all das führte damals zu keinem Ergebnis. Sämtliche Spuren, deren man habhaft werden konnte, verliefen letztlich im Sand. Natürlich wurde gleichfalls das infrage kommende Umfeld mit Spürhunden gründlichst abgesucht. Die hatten zwar schließlich eine Spur ausgeschnüffelt, sie verlor sich aber seltsamerweise auf einer Wiese – unmittelbar neben der Autobahn. Sogar ein nationaler
Aufruf nach Zeugen für eine eventuelle Verschleppung an diesem Autobahnabschnitt hatte gar nichts erbracht. Damals waren Kommissar Jacke und die vielköpfige Sonderkommission nach Monaten immer noch ratlos und entsprechend frustriert. Die Akte wurde schließlich geschlossen. Man konnte nur hoffen, dass der Junge noch am Leben war, da man bislang keine Leiche fand. Nun saß Jacke an seinem Schreibtisch, aufs Neue diese Akte in den Händen und mit Déjà vus beschlagen. Eine Weile starrte er auf den geschlossenen Ordner von kräftigem Umfang und seufzte. Das war nun gerade nicht eben das, was ihm jetzt vorschwebte. Dann zwang er sich, den Deckel umzuschlagen und sah sich dem Foto des verschwundenen Jungen gegenüber. Sogleich verspürte er einen starken Sog in diese Geschichte hinein. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem nachzugeben. Das Bild zeigte einen Jungen von elf Jahren: Martin Hansen. Schwarzhaarig und blauäugig war er eher klein und schmächtig für sein Alter, ging ohne Weiteres auch noch für neun Jahre durch. Das war ihm höchstwahrscheinlich zum Verhängnis geworden. Die Eltern: Maren und Klaus Hansen, beide durchschnittliche Arbeitnehmer in den Dreißigern. Man hatte sie immer wieder vorgeladen, befragt – bis zur Erschöpfung hin gelöchert. Man musste ja unbedingt ausschließen, dass sie etwas mit dem Verschwinden zu tun hatten ...
Der 8. Fall besitzt 17 Kapitel, von 1-17 nummeriert
- 1 - Der Ständer war aus feinem Tropenholz geschnitzt, besaß astgleich anmutende Arme, welche in alle Richtungen und Höhen vom Stamm abzweigten und an denen man Jacken oder Mäntel aufhängen konnte. Der Stamm war nicht ganz gerade, es fand sich im untersten Bereich aber sogar ein Haltekranz für Schirme und darunter eine Platte zum Absetzen derselben. Den Boden erreichte der Stamm im Zentrum, unterstützt von noch fünf weiteren kurzen Holzbeinen, die von unten her in den Plattenrand verschraubt waren. Nur so konnte der enorme Umfang der Arme samt den anhängigen Kleidungsstücken gehalten werden. Es handelte sich ohne Zweifel eher um ein einzigartiges Kunstobjekt, statt um einen gewöhnlichen und funktionellen Garderobenständer. Das fand jedenfalls Hauptkommissar Manfred Jacke, der gemütlich zurückgelehnt an einem der zahlreichen Holztische sitzend, bereits eine ganze Weile dieses Kunstwerk eines Garderobenständers bestaunte. Da er im Moment über viel Zeit verfügte, denn er befand sich im Urlaub, freute er sich über das Entdeckte und erging sich genüsslich im Betrachten aller Einzelheiten. Den Durchmesser des oberen Ständers schätzte er auf mehr als einen Meter. Ein fast ebenso großer altertümliche Ventilator in der Mitte der hohen Decke des Lokals platziert, drehte sich unermüdlich und verschaffte allen Gästen eine angenehme Temperatur. Außerhalb dieser geschützten Zone herrschte zurzeit eine eher feuchte Hitze – so etwa dreißig Grad. Noch war Manfred Jacke nicht genügend akklimatisiert. Seit drei Tagen logierten sie nun hier auf der Insel Curaçao...
Diese, den niederländischen Antillen angehörige, etwa 444 km² große Insel war anscheinend für Europäer im Allgemeinen sehr angenehm zu erleben, deshalb hatten sie sich entschlossen, ihren Urlaub gemeinsam hier zu verbringen. Dennoch hatte es vor ihrem Eintreffen im Februar aus unerfindlichen Gründen sehr viel geregnet. Dies war – den Einheimischen nach – eher ungewöhnlich in solcher Menge. Dadurch wirkte die Landschaft zwar sehr schön grün, aber auch dunstig feucht. Zu feucht für Manfred Jacke, der sich, so oft er konnte, in die klimatisierten Räume flüchtete. Währenddessen ließ sich seine Angebetete am Strand mit einem Buch nieder. Sie litt offensichtlich keine Probleme mit dem Wetter...
...Der Urlauber bestellte erneut einen Espresso und ein Glas Wasser dazu und vertiefte sich weiter in seinen Lesestoff über das zu erobernde Gebiet mitsamt der stark gemischten Kultur der Insulaner. Von den Ureinwohnern, den Arawak Indianern hörte er jedenfalls zum ersten Mal. Ansonsten waren in der Hauptstadt Willemstad angeblich inzwischen etwa fünfundfünfzig Nationalitäten in der Lage, sich zu begegnen. Hier hatte er sich dieses Lokal an der Promenade ausgesucht. Er warf einen Blick durch das Fenster auf die, unter Sonnenschirmen sitzenden und sich räkelnden Touristen. Sie waren offensichtlich bereits richtig angekommen. Bei ihm dauerte es eben ein wenig länger. Ab dem morgigen Tag wollte er ebenfalls dort draußen seinen Espresso genießen – nahm er sich jetzt fest vor. Im Hintergrund der Menschen glitzerte ein ruhiges Wasserwellenszenario, das unbedingt zu einer Spritztour per Schnellboot einlud. Mehrere von diesen waren auch schon unterwegs.
Gerade betrat ein Mann das Lokal, der durch seine Erscheinung die Aufmerksamkeit sofort auf sich zog. Er war in einen cremefarbenen Sommeranzug gehüllt, der beileibe schon bessere Tage gesehen hatte: zerknittert und fleckig, der Kragen sowie die Ellenbogen schmutzig verdunkelt. Der stark gebräunte Mann schwarz gelockten Haares machte einen sehr verschwitzten Eindruck, blickte sich erst nervös um und entschloss sich dann, sein Jackett an den Ständer neben der Tür zu hängen. Sorgfältig wählte er dazu einen der hinteren, zur Wand gewendeten Arme. Dann setzte sich der Mann an den nächsten freien Tisch. Er bestellte das Gleiche wie Jacke und holte danach einen zerknitterten Umschlag mit Tabak aus der ausgebeulten Hosentasche. Mit fahrigen Händen begann er, eine Zigarette zu drehen. Zwischendurch beäugte er nervös seine Umgebung sowie das unweit hängende Kleidungsstück. Bei seinem inzwischen interessierten Beobachter fingen die Gehirnwindungen bereits heimlich an, sich vom Urlaubsmodus zu verabschieden. Dieser Mann hatte ohne Zweifel etwas zu verbergen! Das vermochte vielleicht auch ein Laie zu erkennen, aber bei ihm löste es laut und deutlich den reflexhaft erworbenen Alarm eines Hauptkommissars aus. Jacke war jetzt überaus neugierig, wie diese ‚Geschichte‘, die noch keine richtige darstellte, sich weiterspinnen würde. Der Mann im fleckig weißen Hemd schien sich einige Sekunden später endlich ein wenig zu entspannen, allerdings schrak er immer auf, wenn jemand das Lokal betrat. Für Jacke hatte es den Anschein, dass er sich verfolgt fühlte. Seltsam war zudem, dass insgeheim noch zwei andere Männer sehr an ihm interessiert schienen ...