Leseprobe
Frauenliteratur Liebe 3
Sich den Stern vom Himmel pflücken
©2020 und weiter - alle Rechte vorbehalten Sabine Heilmann
Inhalt: 23 Kapitel, ab 18 J.
1. Schicksal oder Was?
Tamara Werbelov machte einen Schritt rückwärts. Ruckartig hob sie die Hände zum Kopf und strich sich das braune, zumeist widerspenstige Haar beidseitig nach hinten. Dort verharrten sie, als wollten sie dem Gehirn dazwischen mehr Freiheit zum Verarbeiten und Denken geben. In diesem Moment schoss ihr ins Bewusstsein: Was hat er da gerade gemacht? ...
...Norbert Attenschwier, seines Zeichens Personalchef einer größeren Firma und entsprechend gewohnt, den anfallenden Kummer achtsam zu glätten und Probleme stringent zu lösen, sah sich plötzlich völlig außerstande dazu ...
Kathrin, neben ihrer besten Freundin platziert und für sie eben noch vor Freude glühend, zuckte zum zweiten Mal zusammen. Sie wähnte sich im falschen Film und rettete sich in die etwas steifen Arme ihres Mannes. Beide waren schon vor etlichen Tagen an diesem speziellen Abend von Norbert zum Champagner geladen. Sie sollten natürlich dem geplant besonderen Ereignis als beste Freunde beiwohnen. Nun durften sie jedoch mit absoluter Sicherheit gleich die Scherben auffegen. Kathrin konnte beobachten, dass Tamara auf die Schärfe hin erblasste, in sich zusammenfiel und dann Anstalten machte zu fliehen. Kathrin wollte sie am Arm packen, aber ihre beste und älteste Freundin drehte sich kaum zu ihr hin, sondern schob vehement die Hand zur Seite und krächzte, gerade noch verständlich: »Muss allein sein.« Damit war sie verschwunden ...
In der Folge machte das Paar Arm in Arm einen langen Spaziergang durch die feucht-neblige Nacht. Der unweit zugängliche Park schien Kathrin in seiner Schwärze nun gar nicht unheimlich, sondern tatsächlich eher wie ein schützend warmer Mantel. Sie hatte wirklich das Gefühl, diesen dringend zu brauchen, denn sie konnte es quasi körperlich spüren, wie durcheinander sich ihre beste Freundin jetzt gerade fühlen musste. An Norbert jedoch dachten sie beide nicht weiter. In diesem Moment zählte einfach die Länge der Verbundenheit mit Tamara. Auch wenn sie nach außen hin nicht so wirkte, war die Freundin längst nicht so stabil, wie sie es sich selbst wünschte. Das zeigte dieser Vorfall erneut. In den letzten Monaten war es ziemlich turbulent zugegangen, sodass sie sich jetzt die vollste Aufmerksamkeit absolut verdiente. Leise besprachen die Ehepartner die auf sie zukommenden Hilfsmaßnahmen. Insgeheim stellten sie beide fest, wie wohltuend radikal sich dabei die eigenen Differenzen ins Nichts hinein verabschiedeten. Besser so! Sie beide liebten die lebenslustige Tamy, die immer für eine Überraschung gut war, ihre Ehe wunderbar ergänzte und sogar im Nebeneffekt tatsächlich in Schwung hielt ...
2. Hilfe!
...Dann erreichte sie der rettende Einfall – kurz vor Versiegen des maximal gestatteten Tränenkontingents: sich wie ein innerlich schützender Vater zuzugestehen, völlig unsicher in dieser bisher unbekannten Situation sein zu dürfen! Was nützte es, mit Zwang etwas anzufangen, hinter dem sie nicht in ihrer ganzen Person stand. Sie war eben über fünfzig und kein unbedarftes Mädchen mehr, welches zu schnell bereit war, etwas gänzlich Neues auszuprobieren ...
4. Die Verlustrechung
...Dann zählte Tamara den Start an und auf drei vermochte man nur noch das beidhändige Stopfen mit hastig knirschendem Kauen zu verfolgen. Beide waren sie unheimlich flott, hielten die Münder tief über den Schüsseln gesenkt, um ja keinen unnötigen Weg in den Schlund zu generieren. Nach fünf Minuten hob Kathrin ruckartig den Kopf und stöhnte. Hastig griff sie zum Wasserglas und sofort startete wieder ein Anfeuern. »Kathrin, Kathrin …!« Die mampfte fleißig für zwei Minuten weiter, dann aber lehnte sie sich zurück und sagte mit verdrossener Miene: »Ich gebe auf, mir ist schon sooo schlecht.« Während sie sich den Magen rieb, verfolgte sie noch kurz den anscheinend unerschöpflichen Fortgang ...
13. Sinn oder Unsinn?
...Tamara hatte das Gefühl, ihr Leben hob an zu einem kompletten Neustart. Annika spiegelte es ihr prompt am Abend: »Ich habe den Eindruck, du hast eine Hürde übersprungen, meine Liebe.« Die Freundin nickte mit hellem und glattem Gesicht. Dann meinte sie, fast klang es trotzig: »Ich bin echt erledigt! Ich lasse diesmal meinen übereilten Aktionismus einfach mal weg und nehme mir eine Woche Auszeit von allem. So wie Urlaub vom Stress!« »Und dein nächster Termin?« »Den cancle ich ausnahmsweise. Es muss sein. Ich brauche einfach mal Ruhe zum Nachdenken. Das habe ich bisher noch nie richtig gemacht. Immer ging es weiter und weiter, woanders hin. Das kann ich im Moment irgendwie gar nicht mehr. Und das alles immer wegen des blöden Mammons!« Sie schüttelte wie störrisch den Kopf und Annika sagte leise dazu: »Geld regiert eben die Welt.« Fast kamen ihr die Tränen darüber, da sie ebenfalls diesen Dauerdruck manchmal derart satthatte, dass es schmerzte. Sie konnte diesen Wunsch nach Aussteigen sehr gut nachvollziehen und bestärkte Tamara, es durchzuziehen. Also verabschiedeten sie sich erst einmal für die drei nächsten Tage. Tam gedachte wie ein Einsiedler zu leben, kaufte genügend Lebensmittel ein und ließ quasi alle Jalousien hinunter – beziehungsweise: Sie betrachtete das Telefon als außer Funktion gesetzt und entschied, auch unabhängig davon mit niemandem zu sprechen. Sie sah es wie ein Luftholen nach einer Geburt oder einen erstmaligen Versuch, ihren ganz eigenen Boden zu erschaffen. Sie allein wollte fernerhin die Verantwortung für ihn übernehmen. Gefühlt viel mehr als früher, als sie sich immer sofort jemanden zum Ausheulen suchte, litt sie nun unter ihrer Haut. Danach wollte sie sich zuerst wieder bei Annika melden ...
16. Der Mann, das unerkannte Wesen
...Am nächsten Morgen eilte sie zum Fahrstuhl, um in die Etage ihrer Büroeinheit zu gelangen. Sie fand sich zu Hauff begleitet von schnatternden Frauen und schweigend versunkenen Männern mit ernsten Mienen. Im Lift dann meinte sie mehrfaches Stöhnen zu vernehmen, während die Weiblichkeit die Unterhaltung freiwillig einstellte. Komplett still fuhr man weiter, zumeist mit den Handys beschäftigt. Nach dem Aussteigen ging Tamara ruhig hinter drei erneut schnatternden und lachenden Frauen her. Fast fühlte sie sich jetzt ebenfalls geneigt, zu stöhnen. Irgendwie vermochte sie die Männer zu verstehen. Am letzten Arbeitsplatz war sie nur manchmal Teil einer weiblichen Schnattergruppe gewesen. Es lag wohl nicht in ihrer Natur und wieder einmal fühlte sie sich eher männlich geartet oder zumindest Geschlechts-neutraler gewichtet als gedacht. Warum auch nicht! Sie hatte kein Kind bekommen, sie wollte möglichst immer einen Großteil der Kontrolle behalten in allem, was sie tat. Sogar beim Sex war es so. Handschellen und anderes ging eben gar nicht – andersherum ebenfalls! Dies war endlich klar zutage getreten, ob bewusster geworden oder altersentsprechend verändert. Es war Tamara egal und sie wollte hinfort sinnvoller damit umgehen ...
18. Entwicklung allerorten
...»Nein, ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen! Mann, Tamara, es war eine Farce! Ich fühlte mich ins letzte Jahrhundert versetzt. Allerdings haben die Sprecherinnen sich sofort provozieren lassen und die Chefs süffisant dazu gelächelt, was natürlich untragbar wurde. Es uferte aus und ich habe Angst vor einigen Entlassungen!« »Oje, wie furchtbar! Also waren meine Befürchtungen richtig. Auch Rüdiger Sonntag sagte es. Er ist auf ...« ...